Elektromagnetische Verträglichkeit

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AG EMV: T. Haas, A. Wist, S. Raab, Prof. Dr.-Ing. H. Kasten (v.l.)
AG EMV: T. Haas, A. Wist, S. Raab, Prof. Dr.-Ing. H. Kasten (v.l.)

Prof. Dr.-Ing. Henning Kasten
Tel.:+49 9721 940-8224
E-Mail: henning.kasten[at]thws.de

Beschreibung

Leistungselektronik spielt eine zentrale Rolle bei der Umwandlung elektrischer Energie. Dabei werden häufig schnelle Schaltvorgänge genutzt, um die Effizienz zu steigern. Diese Vorgänge erzeugen jedoch oft elektromagnetische Störpegel, die andere Geräte stören können. Der Trend zu schnellschaltenden Halbleitern verstärkt diese Problematik, da sie mehr hochfrequente Störungen verursachen können.

 

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, konzentriert sich die Arbeitsgruppe EMV auf folgende

Themenbereiche

Modellierung von Bauteilen: Präzision durch digitalen Zwilling

Im Bereich der Modellierung von Bauteilen liegt unser Anspruch darin, elektrische Simulationen zu entwickeln, die das reale Verhalten der Komponenten exakt widerspiegeln. Die Anforderungen an solche Modelle werden zunehmend komplexer, sodass einfache Standard-Ersatzschaltbilder nicht mehr ausreichen.

Unser Ansatz beginnt mit der exakten Vermessung der einzelnen Komponenten. Aus diesen Daten wird ein detailliertes Ersatzschaltbild (ESB) erstellt, das anschließend parametriert wird. Durch diesen strukturierten Ablauf können digitale Zwillinge der Bauteile erzeugt werden, die für die Analyse und Optimierung des EMV-Verhalten des Gesamtsystems unerlässlich sind

Gleichtakt- und Erdungsströme

Leistungselektronische Komponenten verursachen leitungsgebundene Störungen in elektrischen Applikationen. Über parasitäre Kopplungen, wie z.B. Kapazitäten in elektrischen Maschinen, fließen hierbei unerwünschte Ströme im Erdsystem (Gleichtakt). Insbesondere in Anlagen mit einer hohen Anzahl an Leistungselektronik können große Stromspitzen auftreten. Diese verursachen u.a. Beschädigungen an elektrischen Maschinen (bspw. durch Lagerströme), das Auslösen von Überwachungseinrichtungen oder können in ungünstigen Fällen zum Ausfall von Steuereinheiten führen. In den zunehmend entstehenden, isolierten Netzen, wie z.B. bei der Elektromobilität, regen die Gleichtaktstörungen das Netz zum Schwingen an und können zu Überspannungen führen.

Die Analyse der entstehenden Strompfade bietet wiederum die Möglichkeit zum Entwurf von geeigneten Filterstrukturen und Erdungskonzepten. Damit lassen sich Störungen gezielt führen oder verringern, wodurch ein einwandfreier Betrieb von Anlagen und Geräten ermöglicht wird.

Aktive Filter

Im Vergleich zu passiven Filtern wie Drosseln und Kondensatoren bieten aktive Filter die Möglichkeit, die Filterwirkung im laufenden Betrieb zu verändern. So kann arbeitspunktabhängig die optimale Filterwirkung eingestellt werden. Besonders in komplexen Netzen mit wechselnden Lastsituationen können passive Filter hier an ihre Grenzen stoßen. Die einzige Lösung ist oft die deutliche Überdimensionierung des passiven Filters. Hier bieten aktive Filter das Potential, wertvolle Rohstoffe wie Kupfer, Eisen und seltene Erdmaterialien, aus denen passive Filter gefertigt werden, einzusparen.

Aber auch für die, besonders in komplexen Netzen oft empirische, Auslegung von passiven Filtern können aktive Filter eingesetzt werden. Sie können das Verhalten passiver Filter per Software emulieren. So kann die optimale Filterkennlinie empirisch ermittelt und für die Auslegung eines passiven Filters genutzt werden.

In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Leistungselektronik werden mögliche Einsatzszenarien von aktiven Filtern identifiziert, für die dann Steuer- und Regelverfahren entwickelt werden. Hierfür werden neben der Simulation auch Labormuster aufgebaut.

Induktive Filterbauteile und Transformatoren

Induktivitäten und Transformatoren müssen zunehmende für die neuen Rahmenbedingungen, die die Leistungselektronik vorgibt, ausgelegt und optimiert werden. Folgende gegenwärtige Trends sind dabei besonders zu berücksichtigen:

  • Erhöhung der Grundschwingungsfrequenz: Durch diese Maßnahme kann die Leistungsdichte in den angeschlossenen Motoren, Generatoren und Transformatoren gesteigert werden. Die Grundschwingungsfrequenz erhöht aber auch die Ummagnetisierungsverluste in den Filterbauteilen und Transformatoren. Dieser Nachteil kann durch Verbesserungen im magnetischen Kreis und/oder in der Kühlung ausgeglichen werden. Weitere Verluste entstehen durch die Stromverdrängung in den Leitern, sodass die Wicklungen verschachtelt und mit angepassten Leiterformen bzw. als Litzenleiter ausgeführt werden müssen.
  • Erhöhung der Schaltfrequenz und der Spannungsanstiegsgeschwindigkeit: Diese Entwicklung erfährt gegenwärtig eine hohe Dynamik, da die Verfügbarkeit und der Einsatz neuer wide-bandgap-Halbleiter stark zunehmen. Dieser Umstand verlangt nach Bauteilen mit sehr hohen Resonanzfrequenzen, d.h. parasitäre Kapazitäten zwischen benachbarten Windungen und anderen Wicklungen müssen auf ein Minimum reduziert werden. Gleichzeitig besteht der Wunsch die Induktivität zu reduzieren, sodass die Leistungsdichte gesteigert und der Ressourcenverbrauch und die dort anfallenden Verluste verkleinert werden können.
  • Integration der Filter im Umrichter: Die Verkabelung zwischen Filter bzw. Transformator ist problematisch, da auch hier eine größere Stromverdrängung auftritt. Selbst schon in kurzen Leitungsstücken werden Reflexionen und damit verbunden Überspannungen erzeugt. Des Weiteren können diese Leitungen einen nicht unerheblichen Anteil an der Störabstrahlung ausmachen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll die in der Baugröße verkleinerten Bauteile direkt im Umrichter zu integrieren, da dann die elektrischen Verbindungen definiert ausgeführt werden können und die Leitungslänge minimal ist. Die anfallende Verlustwärme stellt jedoch ein Problem für die gesamte Baugruppe dar. Aus diesem Grund wird die vorhandene Kühlung auch zur aktiven Kühlung der Wickelgüter benutzt, wodurch weitere Anpassungen bei diesen Bauteilen nötig sind.

 

 

Leiterplattensimulation

  • Am Institut werden aktuell verschiedene Methoden zur Ermittlung parasitärer Eigenschaften von Komponenten und Baugruppen eingesetzt. Das dynamische Verhalten passiver Komponenten wie Spulen und Kondensatoren oder ganzen Filterbaugruppen wird im Kleinsignalbereich mithilfe von Vector Network Analyzern vermessen. Zur Ermittlung parasitärer Eigenschaften von Leiterplatten sowie anderen elektrisch leitenden Teilen wie Kabeln oder Stromschienen werden außerdem Simulationswerkzeuge wie Q3D und HFSS von Fa. Ansys eingesetzt.
  • Diese Toolkette bietet einen ganzheitlichen Ansatz zur simulationsbasierten Auslegung von Filtern unter Berücksichtigung parasitärer Eigenschaften der Komponenten und Wechselwirkungen zwischen den Komponenten. Die Erprobung am realen Prüfstand kann hierdurch zwar nicht ersetzt, die Entwicklungszeit durch kürzere Schleifen (weniger nötige Tests am Prüfstand) jedoch reduziert werden. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Entwicklung eines DC-Filters für dreiphasige Stromrichter mit hoher Bandbreite (10 kHz <= f <= 30 MHz).

Elektrische Alterung von Wicklungen: Sicherung der Langlebigkeit im Antriebsstrang

Im elektrischen Antriebsstrang können durch die Leistungselektronik angeregte Resonanzen sowie Wanderwelleneffekte Überspannungen verursachen. Diese führen zu Teilentladungen innerhalb der elektrischen Maschinen und gefährden deren Langlebigkeit und Zuverlässigkeit.

Unser Fokus liegt auf der Bewertung der pulsartigen elektrischen Belastungen, denen die Maschine ausgesetzt ist. Durch umfangreiche Messungen am Prüfstand identifizieren wir, welche Parameter den größten Einfluss auf die Alterung des Isoliersystems haben. Diese Erkenntnisse validieren wir durch Lebensdauerversuche, um die Beständigkeit der Maschine langfristig zu sichern.